Genres? Wo auch immer in Kunst und Kultur etwas abgeheftet und rasch fassbar gemacht werden soll, da gibt es 'Genres'. Es sind Schubladen, die mehr oder minder treffsicher, Produkte nach bestimmten Kriterien miteinander, in Ähnlichkeit und Vergleichbarkeit, zusammenfassen soll und es werden damit semantische Kürzel entwickelt, die Durchblick schaffen wollen und Klarheit vorgeben. Dagegen ist nichts einzuwenden, Religionen, Wissenschaften, Kulturkritik und jede andere von Menschen aufgebaute Systematik tun dies. Aus Bestehendem soll Zukünftiges extrapoliert werden können, das ist der grundsätzliche Ansatz von Systematiken. Konkret heisst das im Falle von Literatur-Produkten, aus meiner Sicht, das könnte mich, gemäss bisheriger Vorlieben, auch interessieren, nach diesen oder jenen Parametern, ist zu erwartender wirtschaftlicher/künstlerischer Erfolg abzuschätzen.
Nun, stehe ich Empfehlungsalgorithmen von Amazon, Spotify, Netflix usw. sehr skeptisch gegenüber. Es gab einmal eine Zeit, zu der nicht das Ziel war, für jeden, mit Hilfe technischer Lösungen, alles exakt gemäss seiner Vorlieben zuzuschneidern. Es war auch gar nicht möglich, aber jene eiskalt durchkalkulierte Schubladisierung von Vorlieben und Produkten, bringt eine Verarmung von Perspektiven mit sich, die sogar bis in soziales und politisches Zusammenleben weit hineinreicht, unseligerweise. Man mag es Kulturpessimismus nennen, ein Phänomen, so alt wie der Generationenkonflikt oder jener zwischen den Habenden und Habenichtsen.
Ich, für mich habe schon vor langem den Entschluss gefasst, Empfehlungssysteme und Genregrenzen beim Kulturkonsum nicht (oder kaum) zu beachten. Das muss nicht für Jedermann so, oder graduell von Bedeutung und ewig gültig sein; jeder wie er mag.
Dieser Umstand spiegelt sich auch in meinen Manuskripten wieder. Irgendwie probiere ich, auf der Kante zwischen den beiden Kategorien 'Literatur' und 'Genre-Literatur' zu balancieren, wo immer die auch sein mag. Formal wie inhaltlich, ist mein Anspruch, Regeln, die ich nicht mag, zu brechen oder zumindest anzuspannen. Und ob ich einer gefühlten und auch teilweise objektiv erfassbaren (vgl. Komplexität von populärer Musik gestern und heute) Verarmung 'erfolgreichen', kulturellen Schaffens etwas entgegensetzen kann, das wäre mein Ziel. Vielleicht haue ich dabei grauenhaft daneben; das hätte auch Spass gemacht.
Übrigens und so als Gedanke: Gibt es für den Begriff 'Jedermann' eine Gender-Inflektion? OK, OK, schon gut, der linguistische Begriff 'Inflektion' bezieht sich auf Verben, aber als Morphem-Abwandlung finde ich den Begriff recht spassig; er wirkt so progressiv und so ungeheuer wissenschaftlich. So weit zum Begriff der 'Begriffssystematik' und ich bin kein Linguist bzw. Sprachphilosoph.
Wie ich auch immer, ich gendere wie es mir passt, oder wie es gemäss individuellem Wunsch einer Person ausgedrückt wird, im persönlichen Kontakt. Insgesamt: jeder nach seiner Façon, so lange es Rechte und Freiheiten der anderen nicht beeinträchtigt. Und 'Freiheit' heisst nicht, andere beleidigen, herabwürdigen und diskriminieren zu dürfen. Ein anderes Problem ist auch, wie schnell man sich beleidigt, herabgewürdigt oder diskriminiert fühlt. Man kann es nicht allen Recht machen.
(gehört das noch zum Thema 'Genre'? naja, 'Genre' und 'gendern' haben wohl denselben Wortstamm, oder man korrigiere mich.)